Fantômas – ein Mythos
Der erste Fantômas-Roman von Pierre Souvestre und Marcel Allain erschien am 10. Februar 1911. Das Cover mit einem maskierten Mann im Smoking und Zylinder, der sich über die Stadtarchitektur von Paris erhebt, sein Kinn auf der einen Hand stützt und einen blutigen Dolch in der anderen umklammert, versprach den Lesern einen spannenden und schaurigen Nervenkitzel. Sie waren nicht enttäuscht: Die Heldentaten des Bösewichts, die mit brutalen Morden und spektakulären Verbrechen auf den Seiten behandelt wurden, waren im Verlauf von 32 aufeinanderfolgenden Romanen immer wieder schockierend und begeisternd.
Was machte Fantômas zu einem so beliebten Bösewicht? In erster Linie ist er schwer zu fassen. In jedem Roman nimmt Fantômas mehrere Gestalten an, um ungeheuerliche Verbrechen zu begehen, welche nationale und sogar geschlechtsspezifische Grenzen überschreiten. Fantômas ist einfach der »Mann in Schwarz«, eine Figur en cagoule. Zur Bestürzung von Commissaire Juve sind der Mann mit den tausend Gesichtern und der Mann ohne Gesicht ein und derselbe.
Die seriellen Verbrechen von Fantômas erregten auch die Fantasie des Lesers. Jeder Roman ist vollgepackt mit fantastischen Heldentaten und Sensationslust. In jeder Episode spüren Commissaire Juve und der Reporter Jérôme Fandor Fantômas auf, aber in letzter Minute plant der Verbrecher eine mysteriöse Flucht, welche die Fortsetzung der Serie in die folgende Episode erlaubt. Er ist ein durch und durch moderner Krimineller, der darin geschult ist, technische Geräte zu benutzen, die ihn bei der Begehung von Verbrechen unterstützen. Vor allem aber strahlt Fantômas eine Aura des unermüdlichen Bösen aus, denn es ist unmöglich zu erklären, warum der Bösewicht spektakuläre Verbrechen in endloser Folge begeht. Und der gewaltige Schatten von Fantômas erstreckt sich von Paris aus über die ganze Welt. Auch heute noch.